Social leadership
Führen in Zeiten des social distancing
Was in digitalen Unternehmen schon längst Teil der Führungskultur ist, wird plötzlich für viele traditionell geführte Firmen und Organisationen zur Notwendigkeit: Wir müssen einander beruflich wie privat räumlich ausweichen. Social distancing lautet das Zauberwort, mit dem wir wieder einigermaßen Herr*in über die Lage werden wollen, und wer kann und über die technischen Möglichkeiten verfügt, schickt seine Mitarbeiter*innen ins Home Office.
Nicht nur die Technik macht's
Nach einigen Wochen wird klar, dass technische Möglichkeiten allein nicht ausreichen, um den Laden am Laufen zu halten. Führungskonzepte lassen sich nicht 1:1 auf die Distanz umsetzen, schon gar nicht während einer Pandemie, die nicht nur wirtschaftlich und beruflich (be-)trifft, sondern besonders auch jeden einzelnen Menschen hinter dem Laptop. Nicht nur der Job steht möglicherweise auf wackeligen Beinen, auch die psychische und physische Gesundheit und Glaubenssätze, die manche von uns seit der Kindheit mit sich tragen. Zum Beispiel, dass die Welt ein sicherer Ort ist. Das fordert und verunsichert und erschwert es möglicherweise, notwendige Routinen im Home Office aufzubauen, die für Effizienz sorgen und stabilisieren können.
Selbstmanagement
Was für einige Führungskräfte und Selbständige Teil ihrer täglichen Routine ist, bedeutet häufig für andere Vorgesetzte sowie Mitarbeitende Neuland. Wie strukturiere ich meinen Tag? Wie halte ich mich bei Laune, wenn die physische Anwesenheit meiner Kolleg*innen und Vorgesetzten wegbricht? Wie gehe ich mit dem Bedürfnis nach Näher meiner Familie (gegenüber) um? Wie kann ich psychisch und physisch gesund bleiben? Und wie bleibe ich bei all diesen Herausforderungen fokussiert und motiviert bei meinen beruflichen Aufgaben? - Nur einige der Fragen, die sich in der ersten Zeit des Home Office stellen könnten.
Eine sehr frühe Anforderung an die Führungspersonen könnte daher darin bestehen, sich selbst und die Mitarbeiter*innen aktiv beim Ausbau der Selbstmanagement-Kompetenzen zu unterstützen, um mittel- und langfristig Stabililität zu gewährleisten.
Das Pferd, das Pferd... positive Resonanz
Dave Snowden ruft in Zusammenhang mit social leadership die usprüngliche Bedeutung von "managen" in Erinnerung: "das Pferd führen können" und verweist darauf, dass es bei einem Team oder einer Horde an Mitarbeitenden um ein biologisches System mit eigenem Willen geht. Die Hauptfähigkeit eines Leaders in digitalen Unternehmen (und das lässt sich wohl auch auf jene anwenden, die temporär digital geführt werden) liegt demnach darin, positive Resonanzzustände und Muster zu erkennen und zu fördern.
Nah und noch ein bisschen näher: Go for it, Socialiser*innen!
Positive Resonanzzustände und Muster lassen sich nur erkennen, wenn es uns auch aus der Distanz gelingt, den Mitarbeitenden nah zu bleiben. Das entspricht auch den Aufgaben des digital leadership, wie sie Buhse beschrieben hat: Die Manager führen erfolgreich durch den digitalen Wandel, indem sie als "Moderatoren, Brückenbauer, Organisatoren der Vernetzung" fungieren. Sie fördern Agilität und Flexibilität, Offenheit, Kollaboration und Bindung aus einer wertschätzenden Haltung heraus und indem sie eine authentische Vorbildrolle einnehmen. Sie empowern ihre Mitarbeitenden, um die Zufriedenheit und Motivation in Zeiten starker Verantwortung zu stärken und last but not least: Sie arbeiten im Sinne eines leadership member exchange an einer vertrauensvollen dyadischen Beziehung zu jedem und jeder Mitarbeitenden, in der beide Akteure als gleichwertig betrachtet werden.
Für jene, die sich an hierarchische Distanzen gewöhnt haben, könnte das eine größere Herausforderung darstellen. Die manchmal vielleicht belächelten Socialiser*innen und beherzten Führungskräfte dürften nun Frauen und Männer der Stunde sein. Ihre bereits erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten werden sie dabei unterstützen, Distanzen selbst in Zeiten des social distancing zu überwinden und Nähe zu ihren Mitarbeiter*innen aufzubauen bzw. zu stabilisieren, um die Organisation optimal durch die Veränderung zu führen.
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Text: Petra Ouschan
Inspired by: T. Ouschan, P. Schütt, W. Buhse, S. Dörr, D. Snowden, P. Albo, B. Monastiridis
Psychologin Petra Ouschan begleitet als Beraterin, Supervisorin und Coach Menschen in privaten und beruflichen Kontexten auch online. Als Supervisorin ist sie schwerpunktmäßig im Sozial- und Gesundheits- und Bildungsbereich tätig und unterstützt darüber hinaus besonders gern Frauen (mit und ohne Führungsaufgaben). Durch die neuen Herausforderungen im Zuge der Corona Krise beschäftigt sie sich zunehmend auch mit Kompetenzen im Zeitalter des digital leadership.
Psychologischer Berater Thomas Ouschan nutzt seine langjährigen Erfahrungen als Führungskraft im Sozial- und Gesundheitsbereich und Case Management auch in seiner Tätigkeit als psychologischer Berater, Supervisor und Coach. Die Erfordernisse der Corona-Krise erweiterten seinen Blick, seine Fähigkeiten und Kenntnisse in Hinblick auf digital leadership.
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